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Suche nach der freiesten Lizenz ...
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Johannes Roehnelt
2015-01-14 18:51:01 UTC
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... insbesondere für Open-Data-Werke der Behoerden.


So richtig gemeinfrei kann ein Werk, d. h. eine persoenlich
geistige Schoepfung im Sinne des UrhG, m. E. nur aufgrund einer
gesetzlichen Bestimmung sein. Zum Beispiel weil gem.
§ 64 UrhG die Schutzfrist abgelaufen ist oder weil es
gem. § 5 als amtliches Werk vom urheberrechtlichen Schutz
ausgenommen ist.

Siehe zum Beispiel:

§ 5 Amtliche Werke

(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen
sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsaetze zu
Entscheidungen geniessen keinen urheberrechtlichen Schutz.

(2) Das gleiche gilt fuer andere amtliche Werke, die im amtlichen
Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veroeffentlicht worden
sind, mit der Einschraenkung, dass die Bestimmungen ueber
Aenderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und
§ 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.

(3) ... hier nicht relevant


Werke im Sinne der Abs. 1 und 2 geniessen keinerlei
urheberrechtlichen Schutz. Auch die Einschraenkung
in Abs. 2 resultiert nicht aus einem latent noch
vorhandenen Urheberpersoenlichkeitsrecht.

Meine Frage lautet:

Wie sollte eine Lizenzbedingungung aussehen, mit der
behoerdliche Werke, die nicht von vorherein unter
§ 5 Abs. 1 oder 2 fallen (z. B. topografische Karten),
wenigstens so weit wie möglich die Eigenschaft von
Werken des § 5 Abs. 1 erhalten (also fast kein
urheberrechtlicher Schutz, kein Aenderungsverbot und
keine Quellenangabe).

Wäre CC0 ein Kandidat? Oder gibt es etwas freieres?

Ein Problem beim deutschen Urheberrecht sehe ich
darin, dass eine Behörde, wie auch jede andere
juristische Person, nicht selbst Urheber sein
kann und daher auf die Urheberrechte per Lizenzbedingung
nicht gaenzlich verzichten kann. Es ist nicht
auszuschliessen, dass der wahre Urheber, z. B.
ein Beschaeftigter, der aufgrund seines
Arbeitsverhaeltnisses zwar nicht an der Werksverwertung
beteiligt ist, nicht doch irgendwann einmal
Ansprüche aufgrund seines Urheberpersoenlichkeitsrechts
anmeldet, z. B. wegen Falschnamennennung oder Entstellung.

Am einfachsten wäre es wahrscheinlich, alle Werke
der Behoerden durch Änderung des UrhG echt gemeinfrei
zu machen.

Einen Haken hat aber auch die echte Gemeinfreiheit. Der Titel
eines Werkes kann als Werktitel im Sinne des Markenrechts
noch geschuetzt sein, wenn das Werk laengst gemeinfrei ist.
Wenn z. B. ein Werk in geaenderter Fassung ohne
Hinweis auf die Aenderung herausgegeben wird,
kann beim Verbraucher Verwirrung entstehen.


Hier noch zwei Kommentare, die ich vor kurzem bei
irights.info abgegeben habe:

http://irights.info/artikel/copyleft-oder-copyfraud-die-eu-kommission-und-Ihre-werke/24378

siehe dort:

2Schmunzelkunst am 27. November, 2014 um 18:13
3Schmunzelkunst am 24. Dezember, 2014 um 13:07

MfG
Johannes
Christoph Kämper
2015-01-16 00:06:43 UTC
Permalink
Post by Johannes Roehnelt
Am einfachsten wäre es wahrscheinlich, alle Werke
der Behoerden durch Änderung des UrhG echt gemeinfrei
zu machen.
Will man das denn?

Christoph
Johannes Roehnelt
2015-01-16 18:49:44 UTC
Permalink
Post by Christoph Kämper
Post by Johannes Roehnelt
Am einfachsten wäre es wahrscheinlich, alle Werke
der Behoerden durch Änderung des UrhG echt gemeinfrei
zu machen.
Will man das denn?
Christoph
Den Vorschlag hoert man haeufig, z.B. in der Urheberrechtsfibel
von Klaus Graf:

https://books.google.de/books?isbn=3861990024

"§ 5 ist aber radikal zu erweitern, indem alle
dienstlichen Werke der im Bundesdienst Beschaeftigten
nach US-Vorbild ganz vom Urheberrechtsschutz
ausgenommen werden. In den USA unterliegen die Werke
von Bediensteten der Bundesbehoerden nicht dem
Copyright, was außerordentlich positive Wirkungen hat."
Hans-Peter Diettrich
2015-01-17 09:02:49 UTC
Permalink
Post by Johannes Roehnelt
Post by Christoph Kämper
Post by Johannes Roehnelt
Am einfachsten wäre es wahrscheinlich, alle Werke
der Behoerden durch Änderung des UrhG echt gemeinfrei
zu machen.
Will man das denn?
Christoph
Den Vorschlag hoert man haeufig, z.B. in der Urheberrechtsfibel
https://books.google.de/books?isbn=3861990024
"§ 5 ist aber radikal zu erweitern, indem alle
dienstlichen Werke der im Bundesdienst Beschaeftigten
nach US-Vorbild ganz vom Urheberrechtsschutz
ausgenommen werden. In den USA unterliegen die Werke
von Bediensteten der Bundesbehoerden nicht dem
Copyright, was außerordentlich positive Wirkungen hat."
Ich bin mir nicht sicher, wohin das zielt. Ich hielte z.B. ein
Änderungsverbot für durchaus sinnvoll. Oder kann jedermann ein
Urheberrecht an solchen Werken erlangen, wenn er sie ausreichend
bearbeitet? Was den freien Zugang betrifft, der fällt nicht unter das
Urheberrecht. Was also soll so eine Erweiterung tatsächlich erlauben?

Hinzu kommt die unterschiedliche Behördenstruktur. Ich bin mir nicht
sicher, wie sich die Gemeinfreiheit von Fotos der NASA o.ä. auf deutsche
(europäische?) Verhältnisse übertragen läßt. Es ist doch auch gängige
Praxis, daß Gesetze durch Einschalten weiterer Firmen unterlaufen
werden, auf die gewisse Regelungen nicht mehr anwendbar sind. Wären die
vom Bund finanzierten Universitäten und andere Forschungseinrichtungen
Bundesbehörden gleichzustellen?

DoDi
Johannes Roehnelt
2015-01-17 14:40:48 UTC
Permalink
Post by Hans-Peter Diettrich
Ich bin mir nicht sicher, wohin das zielt.
Viele Behoerden sind ja durchaus bereit, ihre Daten
kostenlos zur Verfügung zu stellen und haben auch nichts
gegen Aenderungen.

Siehe z. B. die Geonutzungsverordnung des Bundes, an der sich
auch andere Gebietskoerperschaften orientieren

www.gesetze-im-internet.de/geonutzv/

Jetzt müssen für jeden Verwaltungszweig, jedes Land und
jede Kommune separate Nutzungsbedingungen formuliert werden.
Da wäre doch eine Änderung des UrhG viel einfacher.

MFG
Johannes

PS: In der Geonutzungsverordnung des Bundes hätte ich
noch § 3 weggelassen. Aber da lass ich mit mir reden ;-).
Hans-Peter Diettrich
2015-01-17 19:58:35 UTC
Permalink
Post by Johannes Roehnelt
Jetzt müssen für jeden Verwaltungszweig, jedes Land und
jede Kommune separate Nutzungsbedingungen formuliert werden.
Da wäre doch eine Änderung des UrhG viel einfacher.
Wieso so viele? Wie soll dieser Vielfalt eine einzige Regelung im UrhG
gerecht werden?

DoDi
Johannes Roehnelt
2015-01-23 17:44:46 UTC
Permalink
Post by Hans-Peter Diettrich
Post by Johannes Roehnelt
Jetzt müssen für jeden Verwaltungszweig, jedes Land und
jede Kommune separate Nutzungsbedingungen formuliert werden.
Da wäre doch eine Änderung des UrhG viel einfacher.
Wieso so viele? Wie soll dieser Vielfalt eine einzige Regelung im UrhG
gerecht werden?
Hier eine Stichprobe

http://gispoint.de/news/?tx_ttnews[cat]=50

06.01.2015
Mit dem bereits etablierten geoPORTAL stellt die Stadt
Loerrach verschiedene Geo- und Fachdaten frei zugaenglich
fuer interessierte Buerger im Internet bereit.

20.11.2014
Vor einem Jahr hat die Stadt Koeln begonnen, ihre
Daten als Open Data freizugeben.

Und es gibt immer mehr andere, die ihre Daten kostenfrei,
aber unter bestimmten, zu Teil voneinander
abweichenden Bedingungen anbieten (Berlin, Hamburg,
der Bund, Baden-Württemberg teilweise).


Jeder Urheber, der moechte, dass seine Werke genutzt
Werke werden, muss angeben, zu welchen Bedingungen
dies geschehen soll. Wenn alle Gemeinden, das auf
verschiedene Weise machen, ist das irgendwie bloed.
Kraft Gesetz gemeinfreie Werke koennten dagegen
bedingungslos genutzt werden.


Noch zum Hinweis von Christoph, dass bei der Abschaffung
von Urheberrechten durch Aenderung des UrhG die
Urheberpersoenlichkeitsrechte beruecksichtigt werden muessten:

Die Beamten, die Werke im Dienst verfassen, haben wie
schon im Eingangsbeitrag gesagt, so gut wie keine
Rechte daran. Sie koennen nicht einmal verlangen,
als Urheber genannt zu werden.

Aber auch unabhaengig davon: Ich weiss nicht, wie
Urheber entschaedigt werden muessen, wenn durch
Gesetzesaenderung Urheberrechte abgeschafft oder
eingeschraenkt werden (z. B. durch Kuerzung der
Schutzfrist von 70 auf 50 Jahre oder Einfuehrung
der Panoramafreiheit in Frankreich).

Danke für die Beitraege

Johannes

Christoph Kämper
2015-01-17 16:50:25 UTC
Permalink
Post by Hans-Peter Diettrich
Hinzu kommt die unterschiedliche Behördenstruktur. Ich bin mir nicht
sicher, wie sich die Gemeinfreiheit von Fotos der NASA o.ä. auf deutsche
(europäische?) Verhältnisse übertragen läßt. Es ist doch auch gängige
Praxis, daß Gesetze durch Einschalten weiterer Firmen unterlaufen
werden, auf die gewisse Regelungen nicht mehr anwendbar sind. Wären die
vom Bund finanzierten Universitäten und andere Forschungseinrichtungen
Bundesbehörden gleichzustellen?
Da geht es aber auch nicht um die Rechte des Urhebers, sondern der Behörden
bzw. Einrichtungen.
Gehören "persönliche geistige Schöpfungen" nicht zum allgemeinen
Persönlichkeitsrecht, das bei einer Änderung zu berücksichtigen wäre?

Christoph
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