Post by Johannes RoehneltIn den Kartographische Nachrichten 5/2013 weist Dietrich
Diez im Aufsatz "Zum Stand der Rechtsprechung im Recht
der Geodaten" auf ein neues Urteil des OLG München
vom 13.06.2013 - 29 U 4267/12 hin. Danach ist eine
topographische Karte keine Datenbank. Das Gericht hat
die Revision beim BGH zugelassen. Mehrere Erstinstanzgerichte
(LG München I, Stuttgart und Leipzig) hatten bisher die
gegenteilige Ansicht vertreten.
Und zwar - ich habe mir gerade die Urteilsgründe angesehen - weil es
sich bei den in einer Landkarte enthaltenen Informationen nicht um
"unabhängige Elemente" im Sinne von § 87a UrhG und Art. 1 Abs. 2
Richtlinie 96/9/EG handle. Das OLG beruft sich dabei auch auf die
Entscheidung des EuGH vom 09.11.2004 - C-444/02 - in deren Tenor es heißt:
"Durch den Begriff Datenbank im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der
Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.
März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken wird eine Sammlung
erfasst, die Werke, Daten oder andere Elemente umfasst, die sich
voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres Inhalts dadurch
beeinträchtigt wird, und die eine Methode oder ein System beliebiger Art
enthält, mit der bzw. dem sich jedes der Elemente der Sammlung wieder
auffinden lässt."
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=49635&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
Zum Thema Landkarten bemerkt das OLG München dann (m. E. richtigerweise):
"Die in einer analogen, topografischen Karte zu einem bestimmten
Koordinatenpunkt gegebene Information ist aber für sich genommen kaum
werthaltig. Die Information, dass sich an einem bestimmten
Koordinatenpunkt und somit an einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche
z. B. eine Straße befindet, ist, isoliert betrachtet, wenig
aufschlussreich. Um die punktuelle Information effektiv verwerten zu
können, braucht der Kartennutzer weitere Informationen, insbesondere
über den Straßenverlauf, damit er weiß, wo die Straße hinführt.
Entsprechend verhält es sich etwa mit der Angabe, dass sich an einem
bestimmten Punkt ein Gewässer befindet. Der Kartennutzer wird wissen
wollen, welches Ausmaß das Gewässer hat und ob und ggf. wie es
erreichbar ist. Erst aus diesen oder ggf. auch aus anderen weiteren
Angaben aus der Karte wird die Information, dass sich an dem Punkt ein
Gewässer befindet, für den Kartennutzer werthaltig. Findet der
Kartennutzer an einem Koordinatenpunkt die Angabe, dass sich dort eine
Kirche befindet, wird er wissen wollen, ob die Kirche in einem Ort liegt
und wie er dort hinkommt. Erst im Zusammenhang mit diesen weiteren
Angaben ergibt sich eine für ihn werthaltige Information.
Der Wert der in einer Karte zu einem bestimmten Punkt enthaltenen
Information wird somit durch eine isolierte, von weiteren Angaben in der
Karte getrennte Betrachtung erheblich beeinträchtigt. Die in einer Karte
enthaltenen Einzelinformationen ergeben wie die Wörter in einem Buch und
die Töne in einem Musikstück erst aus einem inhaltlichen Gewebe heraus
Sinn (vgl. Fromm/Nordemann, aaO., Rn. 9). Die Einzelangaben werden in
ihrem Geflecht und ihrer wechselseitigen Bezogenheit simultan erfassbar
dargestellt (Hertin, aaO., S. 650). Löst man die Angaben aus diesem
Geflecht, trennt man sie also voneinander, ist ihr informativer Gehalt
erheblich vermindert."
Post by Johannes RoehneltSollte sich die Meinung des OLG Muenchen durchsetzen, duerfte
das manuelle Abdigitalisieren und das automatische Auslesen von
Karteninhalten, soweit es die schoepferische Leistung
des Kartographen unberuehrt laesst, wieder erlaubt sein
- so wie bereits in der Zeit vor Einfuehrung des
Datenbankschutzes i.S.d. § 87a.
Wobei derartige Handlungen natürlich auch bei Datenbanken erlaubt sind,
solange man nicht - auf einen Schlag oder nach und nach - einen
wesentlichen Teil der Datenbank entnimmt.
Post by Johannes RoehneltIn dem Aufsatz wird ausserdem ein Urteil des KG Berlin
vom 21.03.2012 - 24 U 130/10 erwaehnt,
http://dejure.org/2012,8187
Post by Johannes Roehneltdas in einer
Sammlung von Kartenkacheln eine Datenbank i.S.d. § 87a
sieht.
Allerdings eben eine Datenbank von Kartenkacheln und Adressdaten, nicht
eine Datenbank der in den einzelnen Kacheln dargestellten sonstigen
Geodaten.
Post by Johannes RoehneltBei der Bewertung des Merkmals der fuer die Beschaffung,
Ueberpruefung und Darstellung erforderlichen wesentliche
Investition wird in dem Urteil jedoch ausdruecklich auch
auf den Aufwand fuer die Erstellung des Systems fuer den
Zugriff auf die einzelnen Kacheln ueber die Verknuepfung
mit hausnummerngenauen Adressdaten Bezug genommen. Ob das
ganz sauber ist, weiss ich nicht.
Das Gericht nennt zwar allgemein die "Organisation ihrer individuellen
Zugänglichkeit durch Erstellung eines geeigneten Abfragesystems" als
einen im Rahmen des Datenbankschutzes berücksichtigungsfähigen Aufwand,
sieht im konkreten Fall die entscheidende Investition aber wohl anderswo:
"Nach vorstehenden Grundsätzen ist von wesentlichen Investitionen der
Klägerin auszugehen. Wie sie unwidersprochen vorgetragen hat, müssen die
hausnummerngenauen Adressdaten schon bei der Erstellung der Kartografie
mit den jeweiligen Kartenausschnitten verknüpft werden, um den späteren
gezielten Zugriff zu ermöglichen. Weiter muss sie persönliche und
sachliche Mittel aufwenden, um die Karten laufend auf ihre Richtigkeit
zu überprüfen und zu aktualisieren."
Post by Johannes RoehneltDas blosse
Abspeichern von topographischen Karten in Form von
Rasterkachel duerfte dagegen m. E. fuer den Datenbankschutz nicht
ausreichen.
Stimmt, schon weil es dafür Standardsoftware gibt, die das erledigt,
ohne dass man dafür viel Zeit oder Geld aufwenden müsste.
Post by Johannes RoehneltDas Urteil der OLG Muenchen habe ich ueber die Suchmaschinen
noch nicht gefunden.
Ich kann es auch nur über eine kommerzielle Datenbank lesen, werde es
demnächst aber wohl mal befreien (auch ein Fall der erlaubten Entnahme
eines unwesentlichen Teils einer Datenbank).
Gruß,
Mark